Wir schrieben das Jahr 1986 als ich bei einer bayerischen Bank im Rahmen eines Traineeprogramms auch einige Wochen im Wertpapierhandel in Frankfurt absolvierte. Am ersten Tag – ich erinnere mich noch genau daran, als wäre es gestern gewesen – erwiderte man mir auf mein freundliches „Grüß Gott“, „ob ich ihm“, also Gott, „heute schon begegnet sei?“. Das Gleiche passierte auch meiner Frau bei ihrem Praktikum in einer Frankfurter Großbank mit „haben Sie ihn heute schon gesehen?“.
Das mag ja auf den ersten Blick lustig erscheinen und na ja, man lacht halt darüber, aber im Grunde sind solche Erwiderungen nur der proof of concept von Ignoranz und Unkenntnis. Sorry, liebe Frankfurter von einst. – Aber das ist ja alles auch schon längst verjährt. Was bleibt ist der Sinnspruch aus meiner Kindheit: „erst bedenkts, dann beginnts“, also das Sprechen. Von daher mal lieber Denksprecher als Sprechdenker.
Grüß Gott ist einfach eine freundlich-höfliche Begrüßung, die um den Weißwurst-Äquator (damit ist die natürliche Grenze gemeint, die der Main von Ost nach West zieht) herum bis nach Österreich und Südtirol sich erstreckt. Eng verwandt ist der Gruß mit dem Schweizerdeutschen Grüezi, wo darunter „Gott grüße Euch“ verstanden wird.
Nach Form und Herkunft findet sich zu dieser Begrüßungs-Formel bei Wikipedia folgender Eintrag:
Grüß Gott ist eine Verkürzung aus grüß[e] dich Gott, man vergleiche etwa die Dialektvarianten griaß di (God) „grüße dich (Gott)“ oder griaß eich bzw. griaß enk (God) „grüße euch (Gott)“. Es liegt damit ein Konjunktiv Präsens (Optativ) vor. Semantisch wie formal kennt der gleiche Sprachraum zahlreiche Parallelkonstruktionen, beispielsweise behüte dich Gott (beim Abschied gesagt), helfe dir Gott (nach dem Niesen gesagt) oder vergelt’s Gott (danke).
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%BC%C3%9F_Gott; Zugriff: 22.12.2019
Mitnichten ist damit dieser Gruß veraltet, altbacken oder nach dem Lesen dieser Zeilen noch unklar/unverständig. Ich Grüße den Gott, also das Göttliche in Dir (und mir) ist bei dem Heißhunger nach Spiritualität, der überall in unseren Tagen aufbricht und erkennbar wird, so lebendig und auf der Höhe der Zeit wie kaum etwas anderes. An „Guten Tag“ ist nichts auszusetzen, aber im Vergleich fällt dieser Gruß deutlich zurück.Autor: Norbert W. Schätzlein, 01-2020
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