Geht’s Ihnen manchmal auch so, dass Sie beim Bummeln durch Einkaufspassagen bisweilen auf einen ganz persönlichen Kundenstopper treffen? Bei mir sind das Buchhandlungen. Ich kann nicht einfach daran vorbeilaufen. Ein kleiner Blick ins Innere muss schon sein. Und dann geschieht das Unvermeidliche: ein Buch erweckt meine Neugier und der Kauf eines unsought goods – wie es im Marketing so schön heißt – hat mich mal wieder an die Bezahlkasse gelotst.
Vor über 10 Jahren war dies das Buch von Meinhard Miegel mit dem Titel Epochenwende.
Dass es darin sehr stark um China ging, erfuhr ich schon beim Durchblättern. Und China macht mich regelmäßig neugierig, seit ich mich vor vielen Jahren bei meinem damaligen Arbeitgeber auf eine Position in China für den Aufbau einer Bankniederlassung bewarb. Dass es dann nicht zum Sprung nach Fernost kam, war der Tatsache geschuldet, dass in der Münchner Zentrale ein gebürtiger Chinese arbeitete, der sich ebenfalls für den Job in seiner Heimat bewarb.
Das Interesse an diesem Land ist geblieben, auch, wenn ich dort nie selbst war. Eine Vielzahl von gelesener Literatur zu und über China hat mir das Land virtuell und im Geist längst erschlossen. Nur leider hat es bis 2019 gebraucht, um das Buch wieder in die Hand zu nehmen und zu lesen. Und ehrlich gesagt, als ich erneut einen Blick darauf warf, wollte ich es schon bei Amazon als ungelesenes Exemplar zum Verkauf einstellen. Ein Buch aus 2005 konnte – so der Gedanke – nicht mehr aktuell sein. Und wer liest schon Überholtes.
Doch weit gefehlt. Ich begann mich darin zu vertiefen und stellte fest, dass vieles der dort formulierten Gedanken von geradezu zeitloser Aktualität war. (Übrigens habe ich zwischenzeitlich so viel darin herum geschrieben – Vielleser machen das meines Wissens bisweilen -, dass es mir heute keiner mehr gebraucht abkaufen würde.)
Dass wir uns nicht missverstehen. Für eine Buchrezension ist dieser Blog hier das falsche Format. Was aber Personaler/Entscheider hier als Quintessenz mitnehmen können ist Folgendes:
Die Dominanz auf dem Weltmarkt, die Präsenz beim Einkauf von Technologien sowie die enorme Anzahl an Hochschulabgängern macht China zu einem Akteur bei „der Festsetzung der Arbeitslöhne. Unsichtbar nehmen sie an jeder Tarifrunde, an jedem Gehaltsgespräch teil und diktieren das Ergebnis. (…) Jede Arbeit hat ihren Preis, einen Weltmarktpreis. An ihm orientieren sich die Arbeitgeber.“
Während China in Technologie und Bildung investiert, vernachlässigt Deutschland beides. Unselige Diskussionen über das lebenspendende CO2 – ich habe 3 Jahre beruflich mit diesem Spurengas gearbeitet und bin bestens mit dieser Materie vertraut – leisten ein Übriges für eine finanzielle Fehlallokation auf volkswirtschaftlicher Ebene.
Wie viele Personalgespräche hat jeder von uns schon geführt, in denen uns mitarbeiterseitig anvertraut wurde, dass jede Veränderung mit einer Gehaltserhöhung einhergehen müsse. Unter die Höhe seiner jetzigen Bezüge will niemand (freiwillig). Miegel meint, das dies sich ändern wird, und der Verweis auf die Höhe der Lebenshaltungskosten dann keinen interessieren werden.
Früher, fährt er fort, zeichneten uns spezifische Tugenden aus, die ein Lohngefälle nach Asien rechtfertigten, nämlich Wissen und Können, Genügsamkeit und Fleiß. Aber Hand aufs Herz, passt diese Beschreibung heute noch so absolut wie es einst gesehen wurde auf Generation Y oder Z? Im Einzelfall ja, generell aber nicht. Diese Generationen sind wie sie sind, aber vor allen Dingen sehr heterogen. Längst aber haben die Asiaten diese Rolle der Genügsamen und Fleißigen, der Wissbegierigen und Strebsamen übernommen.
Es braucht keinen Kulturpessimismus, wenn an dieser Stelle Optimismus doch nur ein Mangel an Information und Realitätsbewusstsein ist.
„Es war von Anfang an eine Illusion anzunehmen, quantitativ und qualitativ gleiche Arbeit könne auf Dauer unterschiedlich entlohnt werden.“ Ganz global gilt: „Die Annäherung aller Preis, ob gewollt oder ungewollt, ist die Quintessenz der Globalisierung.“ Dies gilt auch für die „Annäherung der Preise für Arbeit“.
Nochmal – was wir glauben zu „brauchen“ in der Lohntüte interessiert in einer globalen Arbeitswelt absolut niemanden. Es zählt einzig und allein der komparative Vorteil.
Mein Name ist Norbert W. Schätzlein und ich bleibe dabei: lebenslange Bildung hat großen Anteil am Sinn des Lebens; Wissen ist Macht und mehr zu wissen, macht den Unterschied. Bleiben Sie dran und viel Erfolg und alles Gute im neuen Jahr 2020, das gewiss gravierende Umbrüche in die ein oder andere Richtung bringen wird, geprägt von Spaltung und Zorn.
15.1.2020
Quelle:
Miegel, Meinhard: Epochenwende, Gewinnt der Westen die Zukunft? Berlin: Ullstein Buchverlage GmbH, 2005
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