Von Gastautorin: Iris Baumgart

„Wird das ein neues Hobby von dir?“, „…hält es nie lange wo aus“, „…hat schon wieder eine neue Stelle“… solche und ähnliche Sätze fallen, wenn wir Menschen begegnen, die öfter mal den Job gewechselt haben.

Schnell ist man dabei, diese Menschen zu verurteilen. Ihnen wird mangelnde Teamfähigkeit, Anpassungsfähigkeit und Durchhaltevermögen unterstellt. Doch ist dies tatsächlich so?

In meiner täglichen Arbeit als Personalreferentin habe ich mit den unterschiedlichsten Lebensläufen von Kandidaten zu tun. Und dabei fällt eines auf – die wenigsten sind heute noch  „ohne Kurven“, wie das im Personalchargon manchmal so schön heißt.

Doch sind dies wirklich alles Menschen, welche sich nicht anpassen können, nicht teamfähig sind, oder denen schlichtweg die Ausdauer fehlt? Ich kann und mag es fast nicht glauben, denn immer und überall der oder die „Neue“ zu sein, ist ja auch anstrengend. Schließlich gehört es mit zu den Grundbedürfnissen des Menschen, dass er „seinen Platz“ kennt und vor allem auch hat.

Schauen wir uns doch die Geschichte mal näher an. Ich lade Sie hiermit herzlich ein, mir und meinen Gedanken zu dem Thema zu folgen.

Unbestritten gibt es diejenigen, die sich durch häufige Jobwechsel ein besseres Gehalt „erwechseln“. Laut aktuellen Studien sind schon mal 10 bis 20 % mehr Gehalt bei einem Jobwechsel drin –auch der Arbeitsmarkt unterliegt dem Prinzip von Angebot und Nachfrage – und hier gibt es derzeit einfach mehr Nachfrage an Arbeitskräften als Arbeitskräfte auf dem Markt zu sein scheinen. (Ich verweise hier auf meinen früheren Artikel zum Thema Fachkräftemangel). Da können sich zwei, drei Wechsel durchaus mal rentieren. Solche Sprünge könnte man auch bei den bestverlaufenden Gehaltsgesprächen im jährlichen Mitarbeitergespräch nicht erzielen. Dennoch glaube ich nicht, dass dies die wirkliche Mehrheit der sogenannten „Jobhopper“ ist. Die Wechsel bergen ja auch jedes Mal ein Risiko in sich, denn schließlich gilt es auch hier sich erst einmal im neuen Job zu beweisen, die Probezeit zu bestehen und zu zeigen, dass man tatsächlich auch das alles kann, was man im Vorstellungsgespräch versprochen hat.

Meiner Meinung nach ist einer der Gründe für mehrere Jobwechsel so einfach und banal, dass man ihn fast schon übersieht. Schaut man sich den Trend der vergangenen 15 – 20 Jahre an zum Thema Arbeitsverträge, fällt eines auf, – die Zahl der befristeten Verträge steigt und zwar immer weiter.

Glaubt man einer Studie des IAB-Forums (www.iab-forum.de – Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung), waren es 1997 knapp 37 % der Arbeitsverträge, welche befristet abgeschlossen worden sind, so sind es heute fast 45 %. Wenn man also bedenkt, dass fast die Hälfte aller geschlossenen Verträge befristet sind, wundert es mich manchmal, dass nicht noch viel mehr Wechsel in den Lebensläufen stehen.

Noch heftiger sind die Zahl der befristeten Verträge bei den Berufsanfängern. Glaubt man den Studien, ist fast jedes zweite Angebot für Berufseinsteiger befristet.

Das Zauberwort der Unternehmen heißt Flexibilität – man weiß ja schließlich nie, was morgen kommt und so spart man sich ggf. kostspielige Outplacementverfahren. Ein Arbeitnehmer, dessen Vertrag nicht verlängert wird und der somit aus Unternehmenssicht relativ leicht wieder los zu bekommen ist, ist schon praktisch und kostensparend. Schließlich fallen Abfindungsansprüche weg. Auch teure Gerichtsverfahren sind praktisch ausgeschlossen, da ja beide Parteien von Anfang an wussten, Vertrag endet zum Zeitpunkt X, wenn nicht verlängert wird.

Doch ist es wirklich kostengünstiger? Schließlich braucht das Unternehmen nicht wirklich mit der 100 %-igen Loyalität des Arbeitnehmers zu rechnen. Spätestens, wenn das Ablaufdatum des Vertrages in Sichtweite kommt und der Arbeitnehmer (der ja anscheinend oftmals das höchste Gut in den Unternehmen ist, wie man auf mehreren Unternehmensseiten lesen kann) vermeintlich bis zur letzten Minute im Unklaren gelassen wird, wird auch mit Sicherheit die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers „leiden“, denn gedanklich ist er auf Stellensuche. Vielleicht plagen ihn sogar Existenzängste.

Dreht man den ganzen Spieß um, wird die komplette Absurdität noch deutlicher. Als Unternehmen möchte man flexibel sein, „atmen“ können, auf den Markt schnell reagieren können und ach ja, ein weiterer Vorteil für Unternehmen, kann man die Verträge ja auch als „verlängerte Probezeit“ nutzen. Bietet mir jedoch ein Kandidat vom Arbeitsmarkt genau das, was das Unternehmen vermeintlich haben möchte, nämlich Flexiblität, und akzeptiert den befristeten Vertrag, wird ihm bei der nächsten oder übernächsten Suche nach einer neuen Arbeitsstelle mangelnde Anpassungsfähigkeit unterstellt. Haben nicht gerade diese Kandidaten gezeigt, dass sie sehr wohl verstanden haben, wie der Markt „tickt“ und sich durch ihre gezeigte und gelebte Flexibilität nicht gerade außerordentlich angepasst?

Ich möchte an dieser Stelle nicht abstreiten, dass es mit Sicherheit auch einen Prozentteil gibt, der wechselt, da eine permanente Unzufriedenheit vorhanden ist und immer alle anderen schuld sind und man ja per se eh nichts dafür kann – diese Gruppe halte ich persönlich jedoch genauso verschwindend gering, wie die erstgenannte Gruppe, die ein Jobhopping aus rein monetären Anreizen betreibt.

Als Unternehmen sollte ich mich nicht scheuen, auch CVs mit einem auf den ersten Blick nicht geradlinigen Lebenslauf, durchaus in die engere Wahl zu ziehen. Schließlich haben diese Kandidaten wie oben bereits beschrieben, bereits gezeigt, dass sie über eine gewisse Flexibilität verfügen. Hier gilt es darauf zu schauen, warum sind die Wechsel entstanden? Waren diese in Befristungen begründet? Wurde vielleicht auch mal aus privaten Gründen gewechselt, weil man der Familie hinterher oder mit der Familie oder dem Partner umgezogen ist? Oder hat man einfach auch nur mal Pech gehabt?

Eine Person, die jedoch schon ein paar Stellen in seiner Berufslaufbahn erlebt hat, bringt für die Unternehmen, neben der Flexibilität, noch weitere Vorteile. Sie bringt frischen Wind mit, hat vielleicht Ideen wie Arbeitsabläufe und Prozesse optimiert werden können, ist noch nicht betriebsblind. Dieser Mensch kann seine bisherige Erfahrung mit ins Unternehmen einbringen. Unter Umständen hat er auch schon Ausdauer bewiesen, falls er mal nicht gleich eine Anschlussanstellung gefunden hat, und musste sich hier durchkämpfen. Diese Erfahrung und auch die steigende Loyalität meines Mitarbeiters durch einen unbefristeten Vertrag mehr Sicherheit zu haben, sind mit Geld fast nicht zu bezahlen. Der Mitarbeiter fühlt sich als Teil des Unternehmens, als ein Zahnrad, ein Teil des Großen Ganzen und empfindet dies als Wertschätzung.

Als Fazit dieses Themas halte ich fest – wenn im Straßenverkehr eine Umleitung gefahren werden muss, ist dies mittlerweile normal (und oftmals die schönere Strecke im Nachhinein betrachtet) – dies sollte auch im Berufsleben so sein.

Autorin: Iris Baumgart, 15.01.2021

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